Als Expertin für Blitzlichtfotografie und Industrieaufnahmen lichtete Marianne Strobl Villen bekannter Industrieller oder Nobelsalons für das Museum für Kunst und Industrie (MAK) ab, wagte sich in Ötscherhöhlen und auf Fabrikgelände oder dokumentierte die Räumlichkeiten sozialer Einrichtungen: Eine für eine Frau um die Jahrhundertwende eher unübliche Beschäftigung.
Obwohl es durchaus nicht selten vorkam, dass das Gewerbe der Fotografie auch von Frauen ausgeführt wurde, arbeiteten die Fotografinnen zumeist in Ateliers, wo sie in erster Linie Portraitaufnahmen anfertigten. Wie es dazu kam, dass Strobl sich auf das Fotografieren im öffentlichen Raum spezialisierte ist wie vieles ihres Lebenslaufes nicht hinreichend erschlossen. Vermutlich dürfte Strobl zunächst ihre Aufträge über ihren Ehemann, einen Vermessungstechniker, bekommen haben. Darunter auch ihr erstes offiziell dokumentiertes Engagement, das sie auf die „Internationale Ausstellung für Volksernährung , Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrsmittel“ führte, wo sie rund 90 sich damals in Einsatz befindliche Leiterwägen dokumentierte.
Angebote erhielt sie aber auch durch ihre Kontakte im „Camera-Club“, in dem sie und ihr Mann Mitglieder waren. Kontakte mit dem „Österreichischen Touristen-Klub“ sind unter anderem durch eine Reihe von Aufnahmen einer Höhlenexpedition von Mitgliedern der Gruppe belegt. Die Strapazen, die mit den Aufnahmen einhergingen müssen alleine schon aufgrund des Gewichts des damaligen Fotomaterials und des Hitze erzeugenden Magnesiumblitzlichtes erheblich gewesen sein. Trotz des aus heutiger Sicht enorm wirkenden Aufwandes boomte die Fotografie zu jener Zeit und der Wettbewerb unter den Fotografen war groß. Um am Markt zu bestehen war es hilfreich sich zu spezialisieren. Dass von Marianne Strobl trotz oder gerade wegen aller Pionierleistung nicht davon gesprochen werden kann sich in eine Männerdomäne vorwagt zu haben, liegt daran, dass Strobl als offenkundig geschäftstüchtige Fotografin das „Genre“ der Industriefotografie erst belebte.
In Szene gesetzt
Nach und nach kam es Ende des 19. Jahrhunderts in Mode sein Unternehmen für Werbezwecke ablichten zu lassen. Dokumentiert wurden vor allem die Maschinen und Anlagen vor Ort, aber auch die Arbeit am Bau wurde von den Fotografen – und Fotografinnen festgehalten. Bei letzteren Aufnahmen handelt es sich allerdings weniger um eine authentische Dokumentation als vielmehr um bis ins Detail inszenierte Tableaux Vivants. Fotografiert wurde zumeist am Wochenende, wenn sich beispielsweise der aufgewirbelte Staub in Grenzen hielt oder die Fabrikschornsteine nur dezent qualmten. Nicht selten wurden die Bilder auch retuschiert wie etwa bei einer Fotografie der Sanitäranlagen im Männerwohnheim in der Wurlitzergasse, in der eine Reihe von gezeichneten gläsernen Zahnputzbechern die Waschbecken zieren.
Ähnlich „entzückend“ anzusehen ist auch die vorgenommene Retusche im Gesicht eines höhergestellten Mitarbeiters im damaligen Nobelhotel „Meißl & Schadn“. Zu finden ist das Zeitdokument in einem vom Personal bei Strobl in Auftrag gegebenen Album, das die Belegschaft den Besitzern zur Silberhochzeit überreichte. Zu Recht gemacht posierten rund 50 Mitarbeiter des Hotels bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Ebenso wie bei den Fabrikarbeiten handelt es sich jedoch auch hierbei weniger um aus dem Moment heraus entstandene Aufnahmen, sondern vielmehr um in klare Hierarchien unterteilte gestellte Szenen.
Besonders ergreifend ist eine Aufnahme, die Marianne Strobl im Speisesaal für Männer in der Heil- und Pflegeanstalt in Triest anfertigte. Obwohl in ziviler Kleidung und teils in würdevolle Pose gerückt wirken die Männer sichtlich von einem harten Leben gezeichnet. Die untere linke Ecke des Bildes schmückt die rote Signatur der Künstlerin: M. Strobl – das Marianne war bald schon durch das geschlechtsneutrale M ersetzt worden. Eine zu offensichtlich beworbene Weiblichkeit dürfte dem Geschäft dann vermutlich doch geschadet haben.
Marianne Strobl „Industrie Photograph“
Noch bis 26. Jänner 2018
Photoinstitut Bonartes
Seilerstätte 22
1010 Wien
T +43-1-2360293
[email protected]
Der Besuch ist jederzeit gegen Voranmeldung möglich.
Zur Ausstellung erschienen ist ein Katalog:
Marianne Strobl „Industrie Photograph“ 1894 – 1914. Hrsg. von Ulrike Matzer. Erschienen in der Reihe: Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Hrsg. von Monika Faber für das Photoinstitut Bonartes und Walter Moser für die Fotosammlung der Albertina. Band 15. Fotohof edition: Wien 2017.
Titelbild: Geodätische Messung, 1901 © Photoinstitut Bonartes, Wien
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